Privates Logbuch, Lt. Nicole Delacroix

  • Privates Logbuch, Sternzeit 94872.8


    Ich habe heute auf meiner Arbeitsoberfläche eine Datei gefunden, die dort eigentlich nicht hingehört. Eigentlich ein Sicherheitsverstoß, aber ich werde ihn nicht melden. Auch nicht Tyrande. Und ich will auch gar nicht wissen wie sie dort hinkam. Erstens ist das herauszufinden wahrscheinlich ein aussichtsloses Unterfangen und zweitens will ich es einfach nicht.


    Es ist ein Abschiedsbrief von Avalona. Es ist gut zu hören, dass es ihr gut geht. Das ist aber auch schon das einzig positive.
    Dem Inhalt des Briefes nach, und der Art wie er zugestellt wurde ist sie ihren Weg weiter gegangen. Einen eigenen und einen den ich als Sternenflottenoffizier vielleicht nie verstehen werde.


    Hätte ich mehr Zeit mit ihr Verbringen sollen, ihr zuhören? Ja, aber hätte es was am Ausgang geändert?
    Sie möchte ihr Volk ändern, zum guten. Sie sah das gute in der Föderation und hätte es wohl gern gesehen, dass ihr Volk etwas davon kennen lernt.
    Was sehen wir? Ich bin keine Diplomatin, aber was ich sehe, ist dass wir uns als Kulturen wohl nicht so gut verstehen. Wortwörtlich. Zumindest deutet alles darauf hin.


    Auch ich hatte Probleme Avalona und ihre Beweggründe zu verstehen. Aber ich hatte nie das Gefühl das eine jemals der anderen ihre Prinzipien aufdrücken wollte.


    Ich hätte mich gerne von ihr verabschiedet.


    Dieser Status ist höchst unzufriedenstellend, aber ändern kann ich daran nichts. Es ist nicht leicht das ganze zu ignorieren und zu den Akten zu legen, wie eine Aufgabe mit niedriger Priorität.


    Achja, bei der letzten Mission wurde die Mistral erneut beschädigt. Und schon wieder muss ich mein Schiff an die DS12 Technik übergeben. Auch ein höchst unwillkommener Zustand.

    Ein Polarbär ist ein kartesischer Bär nach einer Koordinatentransformation.

  • Ich kam schon eine Weile nicht mehr dazu ein privates Logbuch weiter zu führen.


    In Anbetracht dessen, dass ich nach meinem Tod vor allem das Fehlen persönlicher Notizen und Daten bemängelte, ist das ein Fehler.
    Nicht dass ich vor hätte demnächst noch mal zu sterben, ob durch Selbstmord oder Fremdeinwirkung. Trotzdem habe ich gelernt, wie wichtig die Dokumentation ist. Und sei es nur zur späteren Selbstreflektion.


    Nachdem ich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit die Umstände meines Todes rekonstruieren konnte, beschloss ich auf die Erde zurück zu kehren und die Person kennen lernen, die ich mal war. Was auch beinhaltete meine Eltern zu treffen. Oder eher Nicoles Eltern. Es war für beide Seiten eine Herausforderung die Geschehnisse zu akzeptieren und wir entschieden uns vorerst es darauf zu belassen ein wenig Distanz zu wahren. Es war schon merkwürdig mit den eigenen Eltern am eigenen Grab zu stehen.


    Um nicht ganz untätig zu sein und auch für mich als Test ob ich Nicoles Titel zu Recht behalten durfte, nutzte ich den Aufenthalt auf der Erde in England als Gastdozentin an der University of London im Bereich der Warpfeldtheorie. Ich beschloss die Vorlesung ein wenig zu modifizieren um den Studierenden mehr Praxis als blanke Theorie zu bieten. Im Prinzip konnte ich das reaktivieren, was ich vor meinem Tod in meinen Unterichtsvorbereitungen notiert hatte. Mathematik ist spannend, aber vor allem zu Beginn der Lehre ist es manchmal schwierig die Verknüpfungen zur Praxis herzustellen und blanke Formeln können sehr abstrakt wirken.


    Es war interessant eine Zivile Einrichtung zu besuchen. Vieles wirkte unstrukturiert und chaotisch, doch ich kann wieder nachvollziehen warum ich damals diesen Weg wählte und eine Auszeit aus der Sternenflotte nahm. Durch die unstrukturierte Umgebung können Lösungsansätze entstehen, die im engen Korsett der Sternenflotte niemals Platz gefunden hätten. Man müsste nur den Teil abstellen, den ich persönlich als Zeitverschwendung betrachte. Warum muss eine angehender Ingenieurin Literaturwissenschaft oder eine Fremdsprache als Wahlfach belegen? Das ist nichts weiter als eine Verschwendung von Ressourcen. Mein Vorschlag das abzustellen war bei den Studierenden zu 79.8% willkommen, traf allerdings nicht auf fruchtbaren Boden bei der Prüfungskommission.


    Die Gruppe die ich betreute war zunächst unkooperativ, ich hatte eine Verlustrate von 41% in der ersten Vorlesungswoche. Der überwiegende Rest blieb vor allem aus einer Trotzreaktion heraus, aber mit der Zeit haben wir uns aneinander gut angepasst und konnten gute Ergebnisse vorweisen.


    Ich verspürte bei meiner Rückreise zur Flotte eine merkwürdige Art von Trauer, obwohl meine Studentengruppe nicht mal im geringsten die Effizienz der Crew der Mistral hatte und bei einem Gefecht nicht mal wüsste wie rum man einen Phaser halten sollte.
    Die Aufzeichnung der letzten Unterichtseinheit bringt mich nach wie vor fast zum lachen.


    L-> Anhang 1
    *Nicole steht in Zivil vor einigen jüngeren Studenten der Londoner Universität, nur ihre recht starre, militärische Körperhaltung stört die ungezwungene, zivile Atmosphäre*
    "Dr. Delacroix, wir haben ihnen was konstruiert sozusagen...", ein junger Mann, keine 20, reicht Nicole eine kleine Pappschachtel und setzt sich dann wieder zu den anderen.
    Sie hebt den Deckel an und späht hinein. "Ihr wisst, dass ich Nahrung kaum schmecken kann? Trotzdem, ich weiss die Geste zu schätzen. Danke. Der äußeren Analyse nach ist der nicht repliziert."
    "Wir haben versucht Sie zu vergiften, aber wir wussten nicht was bei Ihnen wirken würde. Wahrscheinlich ist es auch nicht geniessbar", rief eine junge Frau.
    Die Gruppe brachte in lautes, freundliches Gelächter aus und wenn man genau hinsah, konnte man auch Nicoles Mundwinkel leicht ansteigen sehen.


    <<Anhang Ende.


    Der Kuchen schmeckte zwar nach nichts, wie alles andere, aber mir fehlt der unfähige Haufen seitdem ich das Shuttle betrat. Einige von ihnen werden hervorragende Wissenschaftler und Ingenieure. Köche sicherlich nicht.


    Die Mistral fand ich in einem akzeptablen Zustand vor. Schnell habe ich mich wieder an den Sternenflottenalltag angepasst und meinen Posten als Chefingenieur übernommen. Wir sind nun in Gefechte verwickelt. Die Mannschaft arbeitet präzise und zufriedenstellend. Jedoch vermisse ich die Stimmung des Schulschiffes. Auch wenn es unlogisch klingt für den Chefingenieur eines Schiffes, es macht mir Spaß anderen was beizubringen, Wissen zu teilen und weiterzugeben. Auch wenn mein Herz vor allem für das Erforschen neuer Welten und Antriebe schlägt, vielleicht kehre ich mit fortgeschrittenem Alter eines Tages wirklich dauerhaft an die Universität zurück.

    Ein Polarbär ist ein kartesischer Bär nach einer Koordinatentransformation.