Ein Glas Frühlingswein bitte

  • Das blaue Licht des Computermonitors war die hellste Lichtquelle im Raum. Naris hatte das Deckenlicht gedimmt, um sich auf den Bildschirm zu konzentrieren. Seufzend betrachtete sie die Liste, eine Liste von Namen. Eine sehr lange Liste. Insgesamt umfasste sie 1891 bereits grün eingefärbte, und eine lange Reihe noch rot angezeigter.


    Sie seufzte erneut, schloss die Augen und lehnte sich im Stuhl zurück. Es half nichts, das selbst auferlegte Pensum war noch nicht erfüllt. Sie atmete durch und beugte sich wieder vor. "Computer, Beginn der Aufnahme." Die monotone Stimme des Computer quittierte dies mit einer kühlen Meldung, daß sie beginnen könne.


    "Sehr geehrter Mr. Carpenter,


    Es ist eine längere Zeit her, daß Sie über die Sternenflotte vom Tod ihrer Frau unterrichtet wurden. Ich möchte Ihnen noch einmal selbst mein tiefes Bedauern und Mitgefühl über Ihren Verlust ausdrücken.


    Lieutenant Jamie Carpenter hat ihr Leben in den Dienst der Sternenflotte gestellt. Die hohen Ziele dieser Organisation, etwa die Erforschung des Alls, die Entdeckung neuer Lebensformen und Zivilisationen und die Entschlüsselungen der Geheimnisse des großen Unbekannten in der Galaxies, lag ihr daher ebenso am Herzen wie die Sicherheit der Bürger der Föderation - auch durch den Kampf gegen Feinde von außen. In diesem Kampf ließ sie in aufrechter Pflichterfüllung ihr Leben für diese Ziele, für die Föderation, und für ihre Kameraden.


    Jamie Carpenter war nicht mir direkt unterstellt, aber befand sich unter meinem Kommando. Ich kann nicht ermessen, wie groß Ihr Schmerz gewesen sein muss, als sie nach dem Ende des iconianischen Krieges von ihrem Tod erfahren haben, doch seien Sie versichert, daß sie in unseren Reihen eine nicht wieder zu schließende Lücke hinterlässt. Sie, die stets ein freundliches und hilfsbereites Wesen an den Tag legte, von allen ihren Kameraden gemocht, von ihren Vorgesetzten geschätzt und von ihren Untergebenen als Vorbild erachtet wurde. Ihr Leben wie ihr Tod sind uns ein Beispiel und eine Mahnung, wie wir selbst leben und wofür wir kämpfen sollen.


    Ich wie ebenso alle ihre Kameraden sind stolz, mit einem solch hervorragenden Offizier gedient zu haben.


    Gezeichnet,


    Naris Veil
    Rear Admiral"



    Sie übeflog den Text noch einmal und nickte langsam. "Computer, Nachricht senden und den nächsten Namen aufrufen." Auf dem Monitor wechselte der Name von Jamie Carpenter von rot zu grün, der Zähler am unteren Rand tickte um eine Zahl weiter. 1892.


    Naris nippte am inzwischen eiskalten Raktajino und fragte sich, ob sie jemals fertig werden würde - bis zum nächsten Krieg. Bis zur nächsten Liste. Sie rieb sich die müden Augen und holte wieder Luft. "Computer, Beginn der Aufnahme."

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    "Für einen Moment habe ich befürchtet, wir könnten diesen Tag überleben."

    - Worf -

  • Naris Veil saß vor dem Computerterminal in ihrem Quartier. Ein leises, kaum hörbares Summen zeigte an, daß der Antrieb der Abodiacum lief. Die Rückreise von K-7 nach DS12 stand an, sie würde in Kürze ankommen, und wollte bis dahin die schwerste Aufgabe ihrer Laufbahn beendet haben.


    Sie starrte auf den Bildschirm, der einmal mehr den Raum bläulich illuminierte. Die Zahl auf dem Bildschirm. Die Zahl, die sie sich bis zuletzt aufgehoben hatte. Da stand:


    Verbleibend: 1




    Sie seufzte lange und schwer. Dabei ruhte ihr Blick kurz auf einer kleinen Blechkiste, die neben dem Terminal auf dem Tisch stand. Sie strich langsam über das kalte Metall, holte Luft und fing an:


    Liebe Aris,


    ich habe deine vielen Nachrichten erhalten, in denen du mich bittest, nochmalig nachzuprüfen, ob Dolek noch lebt und die Nachricht der Sternenflotte, daß er im Kampf um Deep Space 12 gefallen ist, vielleicht ein Irrtum ist.


    Ich habe getan, was ich konnte. Ich habe erfahren, daß er heldenhaft gegen die Eindringlinge auf der Station kämpfte, und viele davon tötete. Er rettete dadurch mehreren seiner Kameraden das Leben, indem er ihren Rückzug auf das nächste Deck sicherte.


    Seine Leiche wurde nie gefunden, denn die Sektion, in der er Widerstand leistete, wurde durch eine Explosion zerstört. Ich kann dir also deinen Liebsten nicht nach Hause bringen.


    Die Verbitterung in deinen Nachrichten zum Ende hin ist nicht zu überlesen. Ich hoffe, du kannst mir eines Tages verzeihen, daß ich ihn habe hierher versetzen lassen. Gleichzeitig mit dem Absenden dieser Nachricht übergebe ich auch seine persönliche Habe einem Schiff, das nach Bajor fliegt. Ich hoffe, du wirst sie in wenigen Wochen erhalten.


    Mir bleibt nur zu sagen, daß es mir eine Ehre war, mit ihm zu dienen - zuerst im Kampf gegen die Besatzer unserer Welt, und letztlich in der Sternenflotte. Und auch, daß es mir unendlich leid tut, daß wir dieses Mal nicht mehr zusammen heimkehren werden wie früher. Ich bitte dich jedoch, daß ich eines Tages, wenn dein Schmerz nicht mehr so groß ist, allein zurückkehren darf.



    Mit tiefem Mitgefühl


    Veil.



    Sie schickte den Text sofort ab und drückte einem Fähnrich, der wie aufs Stichwort erschien, die Kiste in die Hand. "Schicken Sie die mit dem nächsten Transport nach Bajor. Der Empfänger steht hier drauf." Der Fähnrich nickte und machte sich davon. Zurück blieb ein gebeugter Admiral und ein blau flimmernder Monitor mit einer Liste, deren Zähler ein letzte Mal weitertickte:


    Verbleibend: 0


    Liste beendet.


    Wollen Sie eine neue Liste laden?

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    "Für einen Moment habe ich befürchtet, wir könnten diesen Tag überleben."

    - Worf -